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Feat. H100 & WW Magazin (Welt Woche)

Weltwoche Magazin (WWMagazin) hat mit uns einen schönen Beitrag über die "Gute Form" publiziert - Nachzulesen in der aktuellen Ausgabe, druckfrisch oder hier online … 

Moderne Antiquitäten oder Vintage-Möbel sind begehrte Einrichtungsgegenstände und Kulturgut zudem. Ihre Geschichte ist eng verbunden mit dem Bauhaus. Bei der stilprägenden Kunstschule spielten Schweizer Gestalter eine wichtige Rolle. 

Möbel sind ein Spiegel der Gesellschaft, unserer Geschichte und ein Zeitdokument, das den Wandel aufzeigt. Das Design, vorab die Handwerkskunst, drücken die Formsprache einer Entwicklung aus, es ist ein Mittel zur Gestaltung der Gegenwart. Möbelstücke eines bestimmten Zeitabschnitts widerspiegeln in ihrer Form gesellschaftliche Bedürfnisse und Ansprüche. Objekte und Möbel, die älter als hundert Jahre sind – Stilrichtungen wie Barock, Biedermeier, Jugendstil, Art Deco – inspirierten früher bereits Sammler. Etwas jünger ist die Geschichte der
modernen Antiquitäten, auch Vintage-Möbel genannt, welche heutzutage gesammelt werden. Sie waren in ihren Anfängen, den 1920er Jahren, die neuen Wohnobjekte der Moderne und hatten es zu Beginn schwer, akzeptiert zu wer- den. Damals, in der Zeit der Industrialisierung der Möbel, entstanden die Stahlrohrmöbel des Bauhaus-Stils und mit diesen die Modernisierung des Wohnens in Europa. Zu den jüngsten Stücken, die man noch Vintage nennen kann, zählen die kuriosen Objektmöbel, das Antidesign aus den 80er Jahren, entworfen von den Designern des Mailänder Memphis-Kollektivs. Diese, meist noch erschwinglichen Möbel, fin- den immer mehr Interesse auch beim breiteren Publikum. Nicht nur durch ihren historischen Wert, Charme und ihre Qualität. Wichtig ist auch die vermittelnde Individualität der Besitzer und die Wertstabilität oder gar Wertsteigerung der Möbel. Dazu gehören vor allem Stücke aus den Erstserien sowie Prototypen ikonischer Möbel, die bei Sammlern gefragt und deshalb von spezialisierten Galerien angeboten werden. Dies gilt natürlich auch für Modelle des Bau- haus‘, der stilprägenden Kunstschule in Dessau, die Kunst und Handwerk zusammenführte.
In den 1920er Jahren verbündeten sich Gestalter, Grafiker, Architekten und Künstler,
ergänzt durch Interessierte und Ambitionierte sowie Industrielle. Ziel war, die Gestaltung einer neuen, modernen Gesellschaft vor- anzutreiben und sich dabei mit verschiedensten Gebieten auseinanderzusetzen, von Kunst bis Volkswirtschaft. Einige Kreative zogen aus, um ihre Lebensumgebung zu revolutionieren. Sie setzten dazu vielerorts an: in der Architektur, der Raumplanung, aber auch in der Gestaltung von Möbeln oder Gebrauchsgegenständen.
In der Schweiz war es der Werkbund SWB, geführt von Alfred Altherr, der sich diesen Aufgaben annahm und das Ergebnis der modernen Lebensgestaltung förderte und verbreitete. Er tat dies auch in Zusammenarbeit mit dem deutschen Werkbund. Altherr war der wegweisende Direktor des Kunstgewerbemuseums in Zürich und verantwortlich für den Neubau von 1933. In den folgenden Jahren und der Zeit vor dem Zweiten Welt- krieg wurde der Nutzen der Bauhaus-Schule und deren forschende, freigeistliche Lebenskultur durch die Nazis zuerst infrage gestellt und dann geschlossen. Viele im Bauhaus Engagierte erkannten die Bedrohung und verliessen Deutschland, einige wanderten in die Schweiz aus, weshalb Zürich ein Zufluchtsort und Treffpunkt für diese gleichgesinnten Denker wurde.
Aber nicht nur in Zürich – beispielsweise auch auf dem Monte Verita entstand schon früh eine anders- und neudenkende Gemeinde, in der utopische Ideen und Lebensformen aus- probiert sowie umgesetzt wurden. Der Berg bei Ascona respektive die Häuser, in denen die Zukunftsgläubigen lebten, sind bis heute ein Ausflugsziel, wobei in einem Bauhaus-Hotel residiert werden kann.
Während des Kriegs und danach trafen sich herausragende Architekten und Gestalter der europäischen Moderne – Marcel Breuer, Werner Max Moser, Le Corbusier, Alfred Roth, Alfred Altherr oder Alvar Aalto – in der Stahlrohr- Möbelfabrik Embru in Rüti am Zürichsee. Der Weg war klar: der modernen Wohnkultur zum Durchbruch verhelfen. Die Mission gelang, viele Entwürfe, die damals entstanden,
prägten das moderne Möbeldesign nachhaltig. Und die diesjährigen Jubiläen, hundert Jahre Bauhaus und achtzig Jahre Schweizerische Landesausstellung, die Landi, sind wichtig für das zeithistorische Andenken. Sie repräsentieren die Weitsicht, die einige europäische Persönlichkeiten sogar in dieser schwierigen und dunklen Zeit hatten.
Die Landi von 1939, die auch den Zusammenhalt der Schweizer Bevölkerung stärken sollte sowie die Wirtschaftsmacht der Schweiz repräsentieren, war ein wichtiges politisches Ereignis. Die sogenannte «gute Form», bereits in den 1920er Jahren ein Thema, wurde ab den 1950er Jahren weiterverfolgt und in Ulm praktiziert. Der Schweizer Max Bill, ein ehemaliger Schüler am Bauhaus, war Mitgründer der 1953 eröffneten Ulmer Hochschule für Gestaltung. Neben Bill spielten auch die Künstler und Architekten/Möbeldesigner Walter Gropius, Mies van der Rohe, Marcel Breuer, Max Ernst Haefeli, Flora Steiger-Crawford, Luise «Lux» Guyer oder Elsa Burckhardt-Blum wichtige Rollen in der Entwicklung und, in der Folge, Wertschätzung guten Designs. Das Credo der Zeit: gut, praktisch, einfach, günstig und ästhetisch sollte ein Erzeugnis sein.
In der Schweiz lebt das Erbe dieser Zeit der grossen Gestalter und Realisierer weiter. Qualität und Design haben hier schon lange einen hohen Wert. Und man hat erkannt, dass es ein entsprechendes Angebot auch in der Aus- und Weiterbildung braucht, um in diesem Bereich an der Spitze zu bleiben. Und bevor wir`s vergessen: In der Schweiz lassen sich bis heute viele Objekte aus dieser Zeit entdecken.




illustration von Daniel Egneus